Bundesregelungen für die Weiterbildung

09.06.2017
Illustration Gewerkschaftliche Initiative

Notwendigkeit eines Weiterbildungsgesetzes auch vor dem Hintergrund der Digitalisierung

In dem Artikel aus der Zeitschrift DDS vom April 2017 informiert Ansgar Klinger, Leiter des Bereiches Berufsbildung und Weiterbildung im Hauptvorstand der GEW, über die Zusammenarbeit mit ver.di und IG Metall über die "Notwendigkeit eines Weiterbildungsgesetzes auch vor dem Hintergrund der Digitalisierung". Ziel dieses Artikels ist es u.a. mitzuhelfen, "der Weiterbildung den gebührenden gesellschaftlichen Stellenwert zu verschaffen".

 

Die gewerkschaftliche Initiative von GEW, ver.di und IG Metall hat zu Beginn des Jahres 2000 erstmals ihre Vorschläge zur Gestaltung eines zukünftigen Weiterbildungssystems in Deutschland  in den "Bundesregelungen für die Weiterbildung" vorgestellt. Unsere Ideen schienen uns geeignet, die immer deutlicher werdende Lücke zwischen den wachsenden Weiterbildungsanforderungen und der Weiterbildungsrealität zu schließen. Acht Jahre später, nach zwei hochtrabenden, aber nicht eingelösten Koalitionsvereinbarungen deutscher Bundesregierungen zum Ausbau der Weiterbildung sowie einer bildungsfeindlichen Föderalismusreform, stellen wir fest, dass Deutschland im internationalen Vergleich eine beschämend nachrangige Position einnimmt. Weiterbildung verschärft die soziale Selektion. Das System ist finanziell und konzeptionell nicht zukunftsfähig und wird zur Innovations- und Wachstumsbremse.

Die gewerkschaftliche Initiative meldet sich aus diesen Gründen erneut zu Wort. Mit der Broschüre "Notstand: Weiterbildung in Deutschland - Wir brauchen mehr öffentliche Verantwortung" stellen wir unser neues Konzept für Bundesregelungen in der Weiterbildung vor.

 

Die "Initiative Bundesregelungen für die Weiterbildung" - getragen von ver.di, IG Metall und GEW sowie von Weiterbildungsträgern und Wissenschaftlern - setzt sich dafür ein, dass durch gesetzliche Regelungen auf Bundesebene der Rahmen für ein einheitliches und zukunftsfähiges System der Weiterbildung für die Bundesrepublik Deutschland geschaffen wird.

Eine Erhöhung der Weiterbildungsteilhabe in Deutschland braucht einen juristischen Rahmen durch konkurrierende Gesetzgebung des Bundes. In diesem müssen abgesichert werden: für Weiterbildung verfügbare Zeiten und Gelder, Angebote, Unterstützung der Lernenden durch Beratung sowie die Sicherung der Lernanstrengungen durch entsprechende Abschlüsse, Qualität und Berechtigungen.

 

Im Koalitionsvertrag vom November 2005 wurden für die Weiterbildung weitreichende Zielsetzungen vereinbart:

  • die Teilnahme an Weiterbildung deutlich zu erhöhen und sozial Benachteiligte zu fördern
  • Menschen ohne Schulabschluss und Ausbildung eine zweite Chance zu gewähren
  • die Weiterbildung zur vierten Säule des Bildungssystems zu machen
  • mit bundeseinheitlichen Rahmenrichtlinien eine Weiterbildung mit System zu etablieren
  • die Bildungsberatung zu verbessern, die Qualität zu sichern.

Die "Initiative Bundesregelungen für die Weiterbildung" nimmt diese Forderungen auf und fragt nach ihrer Umsetzung. Seit längerem beobachten wir, dass sich die Schere zwischen Ansprüchen und Verwirklichungen immer weiter öffnet. Defizitaspekte gemessen an den Interessen der Lernenden sind: Fragmentierung der Lernorte und Lernwege, Partialisierung der Lernziele und Inhalte, Intransparenz, Qualitätsdefizite, Verwendbarkeitslücken und vor allem die sich noch verstärkende Selektivität. Der hohe Konsens bezogen auf die Relevanz und notwendige Expansion von Weiterbildung einerseits und die Strategien zu ihrer Umsetzung andererseits klaffen auseinander.

Mit unseren Impulse-Papieren stellen wir aktuelle Ergebnisse unseres Diskussionsprozesses vor.

Bisher sind erschienen:

Die "Initiative Bundesregelungen für die Weiterbildung" möchte die Ankündigung der Großen Koalition, eine Weiterbildung mit System und bundeseinheitlichen Rahmenbedingungen zu schaffen, auf den Prüfstand stellen. Welche Schritte sind notwendig zur Umsetzung einer solchen weitreichenden Vereinbarung? Wir haben in unserem Positionspapier dazu vier Leitideen für die Architektur des neuen Weiterbildungshauses entwickelt.

 

Um die Leistungsfähigkeit der Weiterbildung in Deutschland ist es nicht gut bestellt. Das zeigen nicht nur internationale Vergleichsstudien des Bundesinstituts für Berufsbildung, sondern auch Untersuchungen des Instituts für Arbeitsmarkt- und Berufsforschung und ganz zuletzt die Ergebnisse der vom Bund eingesetzten Expertenkommission „Finanzierung Lebenslangen Lernens“. Sie bescheinigt dem System in ihrem 2004 erschienenen Endbericht erhebliche Mängel, hohe Selektivität, mangelnde Zukunftsfähigkeit und gravierende Unterinvestition.

Ein entscheidender Hebel zum Ausbau der Weiterbildung in Deutschland ist die Finanzierung. Die Initiative für Bundesregelungen in der Weiterbildung hat dazu ein umfassendes Konzept erarbeitet, dass wir hier gerne vorstellen möchten.

 

Die völlig unbefriedigende Situation der Weiterbildung ist auch der Tatsache geschuldet, dass es eine mangelnde Zusammenschau der unterschiedlichen Teilsysteme in der Bildungslandschaft gibt. Von der unzureichenden Gesamtverantwortung ist auch die Entscheidungsebene berührt. Es stellt sich die Frage: Wie kann die Planung, Durchführung und Auswertung von Bildung besser als bisher beeinflusst werden? Und zwar von den Lernenden selbst, den Unternehmen, Interessenorganisationen und Verbänden, öffentlichen Gremien oder staatlichen Instanzen.

Juristisch spiegelt sich die Desintegration der Bildungsbereiche in einer zersplitterten Zuständigkeit für verschiedene Rechtsbereiche wider, so z. B. ist der Bund für die berufliche Bildung zuständig und die Länder für die Schulen und Hochschulen. Bildung, Qualifizierung und Weiterbildung sind gemeinsame Aufgaben der Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer, der Arbeitgeber, der Gewerkschaften und der Politik. Deshalb ergibt sich auf allen Ebenen ein unabweislicher Handlungsbedarf. Mit unserem Impulse-Papier für eine nachhaltige Gestaltung der Weiterbildung zwischen Markt und Staat legen wir Argumente für eine umfassende gesellschaftliche Weiterbildungsverantwortung in der Regional- und Arbeitsmarktpolitik vor. Das ist ein wichtiger Baustein in einer neuen Bildungspolitik.

 

Nachdem im Juni 2014 in der Schweiz in einem weiteren Nachbarstaat – nach Dänemark und Österreich – ein bundesweites Weiterbildungsgesetz verabschiedet wurde, nehmen wir dies zum Anlass, unsere Forderung nach bundeseinheitlichen Regelungen in der Weiterbildung gemeinsam mit der IG Metall und der GEW wieder verstärkt Nachdruck zu verleihen. Aktuell erarbeiten wir Strategien, um eine breite Akzeptanz auf allen gesellschaftlichen Wegen für dieses Thema zu erzeugen.